Geleitwort

Corona, wohin das bildschirmmüde Auge blickt und wenn man etwas genauer hinschaut, vor allem digitale Gräben. Nicht alle Familien können sich die Hardware leisten, um ihre schulpflichtigen Kinder für das Homeschooling auszurüsten. Wenn es nicht an der Hardware scheitert, wird spätestens die Software und ihre Bedienung zum Problem.

ch gleich zwei Artikel der aktuellen Ausgabe. In „Hardware for Future“ berichten Mitglieder des Vereins „dezentrale“ aus Leipzig, wie sie im Rahmen dieses Projektes gespendete Rechner aufbereiten. Diese geben sie an bedürftige Familien und Kinder weiter, die diese sinnvoll zum Lernen einsetzen. Zu Beginn des Projekts klebten die Ehrenamtlichen noch QR-Codes auf die Rechner, welche die neuen Nutzer zu einem Video über „Erste Schritte“ weiter leiten sollten. Jedoch: „Unser Gedanke, dass doch heute jede:r ein Smartphone hätte, und der Code ganz einfach mit dem Telefon gescanned werden könne, erwies sich als ein Trugschluss.“ Wie sie mittlerweile vorgehen, könnt Ihr in dem Artikel (Seite 0x0a) lesen.

In einem umfangreichen Update zu „Chaos macht Schule“ berichten unterschiedliche Autor:innen aus verschiedenen Städten, wie das Projekt in den Homeschooling-Modus gewechselt ist. So stellt Heike, Tüftlerin aus Leidenschaft (und aus Paderborn), ihren Schüler:innen die Aufgabe, Kartoffelbrei zuzubereiten und ein Foto des Tellers mit dem Kartoffelbrei zu teilen. Doch sie erhält einiges mehr: Bilder von Küchen, Lebensmitteln und Elektrogeräten. Echtes „Datengold“, das viel über die beteiligten Kinder und deren Familien erzählen würde und nicht für die Öffentlichkeit bestimmt ist. Glücklicherweise wird an ihrer Schule der Datenschutz groß geschrieben: Die Daten landen nicht auf den Servern und im Besitz der großen Social-Media-Plattformen. Wenn Ihr mehr über diesen Fall und andere Erfahrungen der Schul-Chaoten erfahren wollt, lest den Artikel (Seite 0x20).

Mit welcher Gedanken- und Konzeptlosigkeit die deutsche Museumslandschaft inmitten des Dauer-Lockdowns genau auf diese Angebote und Formate der üblichen Netzmonopolisten zurückgegriffen hat, beleuchtet Lukas Fuchsgruber in seinem Artikel über digitale Museen. Der Museumsbesuch in der Pandemie war in den meisten Fällen nur als ein Spaziergang in den Ruinen des zehn Jahre alten Projekts „Google Arts and Culture“ möglich – abfotografierte Kunstwerke in leeren Räumen. Auch nach der Pandemie wird selbst in einem Leuchtturmprojekt wie dem Berliner Humboldt Forum nach der Devise „Digitalisierung first, Bedenken second“ vorgegangen. Mittels einer Tinder-ähnlichen App werden Besucherprofile angefertigt und diese Form der Verhaltensanalyse als museumspädagogisches Highlight verkauft. Wer mehr über diese und andere ethische Katastrophen der digitalen Sphäre erfahren will, dem sei der Artikel „Welches Spiel und welche Regeln?“ empfohlen (Seite 0x11).

Auch in dem Artikel „Kameras stoppen“, in der eine Kölner Initiative davon berichtet, wie sie versucht, die Videoüberwachung in der Innenstadt einzudämmen, wird deutlich, dass staatliche Institutionen ein schwieriges Verhältnis zu der Frage haben, wer Zugriff auf welche persönlichen Daten haben darf. Obwohl in allen bisherigen Verfahren entschieden wurde, dass die Kölner Polizei bei der Ausweitung der Videoüberwachung nicht rechtskonform vorgeht, werden zusätzliche Kameras an weiteren Orten installiert, bevor die rechtliche Grundlage dafür geklärt ist. Der politische Wille für die Ausweitung der Überwachung ist dabei ebenso groß wie die Fähigkeiten der Verwaltung, die Fragen und Klagen der Datenschützer:innen auszubremsen. Wer in dieses Thema tiefer rein zoomen möchte, liest den Artikel von kameras-stoppen und dem C4 (Seite 0x19).

Und schließlich haben wir noch die Freude, auf die diesjährigen „Datenspuren“ in Dresden aufmerksam zu machen. Im September geht es dort wieder um die großen und kleinen Fragen des digitalen Lebens. Wie kann ein verantwortungsvoller Umgang mit Logdateien gepflegt werden? Wie können wir „flatten the curve“ im Umgang mit Corona schaffen, ohne dass die Datenspende exponentiell wächst? Beim Blick in die Zukunft gestattet sich die diesjährige Konferenz auch die Frage, ob Roboter eine Konferenz halten können. Je nachdem, ob die Veranstaltung virtuell stattfinden muss, kann ja gleich darüber diskutiert werden, wie groß der Unterschied eigentlich ist, wenn dann doch alle wieder nur per Videokonferenz dabei sind. Wir hoffen, dass die Datenspuren physisch stattfinden. Wer diese Hoffnung mit uns teilt, liest die Einladung (Seite 0x10).

Bei all diesen politisch brisanten Themen CCC e.V. wollen wir nicht vergessen, dass die Datenschleuder vor allem eine Mitgliedszeitschrift ist. So politisch die Arbeit des Chaos Computer Club ist, so konkret sind die Aufgaben, denen sich ein neuer Vorstand zu stellen hat. Umso mehr freut es uns, dass wir die neuen Vorstände dazu gewinnen konnten, über sich und die jeweiligen Schwerpunkte ihrer kommenden Arbeit im CCC zu erzählen (Seite 0x2c).

Wir hoffen, dass Ihr mit der aktuellen Ausgabe der Datenschleuder wieder spannende Einblicke in die vielfältigen Projekte und Initiativen in und rund um den CCC erhaltet und wir zu gesellschaftlichen Debatten beitragen können, in denen der Datenschutz eine wichtige Rolle spielt. Wir wollen Eure Meinung zu diesen Themen erfahren und würden uns freuen, wenn Ihr uns unter einen digitalen Leserbrief schreibt, anstatt Euch in eurer Twitter-Filterblase zu verausgaben. Die schönste Blase ist schließlich immer noch der CCC. (Das wiederum könnt Ihr gerne tooten.)